Behandlungsfehler bei verzögerter Diagnose einer Blinddarmentzündung (Appendizitis)
Eine verspätet diagnostizierte Blinddarmentzündung (sog. Appendizitis) kann einen ärztlichen Behandlungsfehler begründen, insbesondere dann, wenn Kinder betroffen sind. So muss, wenn ein Patient bei der stationären Aufnahme im Krankenhaus bereits die Symptome einer akuten Appendizitis aufweist, zwingend im Rahmen einer sorgfältigen Differentialdiagnose eine Appendizitis ausgeschlossen werden. Dies insbesondere deshalb, weil ein Blnddarmdurchbruch nicht selten mit dem Eindringen von Darmflüssigkeit in den Bauchraum und einer sich daran anschließenden Entzündung des Bauchfells nebst einer allgemeinen, lebensbedrohlichen Sepsis verbunden ist. Vielen Patienten werden mit diffusen Bauschmerzen, teilweise auch in Kombination mit regelmäßigem Erbrechen und Übelkeit oder bereits mit Darmlähmungen (paralytischer Ileus) und erhöhter Körpertemperatur, in ein Krankenhaus eingeliefert. Zunächst können diese Beschwerden mehrere Ursachen haben.
Eine davon stellt die Blinddarmentzündung, die sog. Appendizitis dar. In diesem Fall kommt es nicht selten vor, dass eine solche Appendizitis zu spät diagnostiziert wird und es infolge dessen im weiteren Verlauf sogar zu einer lebensbedrohlichen Situation kommt. Als Folge einer nicht diagnostizierten Appendizitis und im Verlauf dieser Erkrankung kann sich eine schwere Entzündung bis hin zum Wanddurchbruch (Perforation in die freie Bauchhöhle) und damit zu einer Peritonitis entwickeln, die dann im Rahmen einer Not-Operation behandelt werden muss. Wenn die Blinddarmentzündung bereits so weit fortgeschritten ist, verbleiben nicht selten auch dauerhafte Gesundheitsbeeinträchtigungen bei dem Betroffenen.Eine verspätet diagnostizierte Appendizitis kann einen ärztlichen Behandlungsfehler begründen, insbesondere dann, wenn Kinder betroffen sind.
Die Diagnose der Blinddarmentzündung wird im Rahmen der ärztlichen Untersuchung gestellt. Am wichtigsten sind dabei die Anamnese, die Laboruntersuchungen (Leukozyten, CRP-Wert), der Ultraschall (Sonographie) und bei untersuchungstechnischen Schwierigkeiten auch das CT. Darüber hinaus ist unter Umständen auch die Durchführung einer diagnostischen Laparoskopie erforderlich, um eine Appendizitis sicher ausschließen zu können.
Ausschlaggebend für eine Indikationsstellung zur Operation einer akuten Appendizitis ist der Gesamteindruck. So kann schon die Feststellung eines auf eine akute Blinddarmentzündung hinweisenden Druckschmerzes genügen, um alle anderen Kriterien zurücktreten zu lassen und entsprechend operativ einzugreifen (vgl. OLG Hamm, VersR 2000, 101). Das plötzliche Auftreten eines schmerzfreien Zeitraums mit anschließenden massiven Schmerzen im gesamten Bauchraum stellt sogar ein eindeutiges Anzeichen für einen bereits eingetretenen Durchbruch der Appendizitis dar (Darmperforation).
Wenn ein Patient mit diffusen Bauchschmerzen und bereits mit dem Verdacht auf eine Appendizitis ins Krankenhaus eingeliefert und stationär aufgenommen wird, so muss zwingend im Rahmen einer Differentialdiagnose eine Appendizitis ausgeschlossen werden. So ist bei einer solchen Verdachtsdiagnose häufig als letzter Schritt der Diagnostik auch eine diagnostische Laparoskopie medizinisch indiziert. Dabei vereinigt die Laparoskopie den letzten Schritt der Diagnostik mit dem ersten Schritt der Therapie (vgl. Saarländisches OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.04.2002, Az. 1 U 612/01). Eine solche diagnostische Laparoskopie hat gegenüber einer konventionellen Operationsmethode auch den eindeutigen Vorteil, dass die diagnostische Maßnahme eine Erkennung anderer Ursachen für die geklagten Beschwerden des Patienten erlaubt und bei Bestätigung der Diagnose einer Appendizitis in gleicher Operation die Durchführung einer Appendektomie möglich ist.
Die Rechtsprechung fordert in vielen Fällen, wo der Patient bei der stationären Aufnahme bereits die Symptome einer akuten Appendizitis (Schmerzen im Unterbauch über mehrere Tage, wiederholtes Erbrechen, erhöhte Körpertemperatur, Darmträgheit ect.) bot, die Durchführung einer diagnostischen Laparoskopie. Denn insbesondere bei Kindern müssen Fehldiagnosen bei Verdacht auf Appendizitis durch Ausschöpfen aller Erkenntnismöglichkeiten tunlichst vermieden werden, weil den Patienten ansonsten schwerer gesundheitlicher Schaden droht (vgl. OLG Hamm). So hat auch das OLG Zweibrücken im Urteil vom 02.11.1999 entschieden, dass es bei der Einweisung eines 10-jährigen Kindes mit dem Verdacht auf akute Blinddarmentzündung einen groben Behandlungsfehler darstellt, wenn die Ärzte sich mit einer klinischen Vermutungsdiagnose zufrieden geben, ohne dem Schweregrad der Erkrankung Rechnung zu tragen und differenzialdiagnostische Maßnahmen, wie eine Laparoskopie oder eine Laparotomie in Betracht zu ziehen.
So stellt in diesen Fällen die Verkennung bzw. die verzögerte Diagnose einer Appendizitis häufig auch einen vorwerfbaren groben Befunderhebungs- oder Diagnosefehler dar. Hätte die erforderliche weitere Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein positives Ergebnis erbracht, dann begründet dies für den Geschädigten beim Nachweis der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden eine Beweiserleichterung, weil sich entweder die Verkennung des Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion auf ich als grob fahrlässig darstellt (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 02.11.1999).
Auch wir, die Kanzlei SHB, vertreten etliche Mandanten, bei denen eine Verkennung bzw. eine verzögerte Diagnose einer Appendizitis bereits zur einer Darmperforation und einer Peritonitis geführt hat und die dadurch nun dauerhafte Gesundheitsbeeinträchtigungen erleiden müssen.
Auch wenn nicht bei jeder Verkennung bzw. verzögerten Diagnose einer Appendizitis auch von einer fehlerhaften Behandlung auszugehen ist, die zu Schadensersatzansprüchen des Patienten führt, so würden wir jedoch bei dem Vorliegen von Anzeichen für eine fehlerhaften Behandlung dringend eine rechtlichen Überprüfung empfehlen. Insbesondere bei Zweifeln, ob eine infolge der Appendizitis eingetretene Darmperforation mit einer Peritonitis und dadurch entstandene Gesundheitsbeeinträchtigungen durch eine frühzeitige Diagnose nicht hätten verhindert werden können, können wir hierzu eine rechtliche Überprüfung durch unsere spezialisierten Rechtsanwälte anbieten.